Autotest
Mercedes GLK 350 Diesel Test
Die ersten Buchstaben im Typenschild und das kantige Outfit machen ihn zum kleinen Bruder von Mercedes GL und G, der große V6-Diesel den GLK jedoch wieder ziemlich groß – Test: Mercedes GLK 350 CDI 4MATIC.
Es lebe der Überblick – Das Zusammentreffen von steiler A-Säule und Windschutzscheibe weit weg vom Fahrerkopf, kurzen Überhängen, tiefer Fensterlinie und erhöhter Sitzposition machen den Daimler weitsichtig und zaubern ein angenehmes Raumgefühl hinzu – das sind die ersten Eindrücke eines Menschen, der den im Vergleich zur GL-G-Fraktion bodennahen GLK über die etwas marktschreierische Schwellerleiste betritt.
Die Zwischenetage zwischen SUV und Kombi kommt, bis auf die etwas tiefer gelegte Fernsicht, gut. Die Vorteile nimmt man bald erfreut wahr (kombihafte Packhöhe, reichlich Ladefläche, gute Variabilität), um darauf vom SUV eher Ungewohntes schätzen zu lernen: Eine tiefe Ladekante – eine der attraktivsten in dieser Klasse zudem –, ein weniger hoher Schwerpunkt, weniger Aufbauwanken, eine von großen Hebeln eher ungetrübte Dynamik, eine zufriedene Straßenlage, … Niveauregulierung?
Vermisst man nicht. Luftfederung? Wozu? Der GLK ist ein talentierter Alles-weg-und-auf-Bügler. Und zudem macht der tiefere Schwerpunkt es in Kurven leichter. Bremspräzision und -gefühl sind erste Klasse: überzeugend, keine offenen Fragen beim Anbremsen, massive Wirkung beim Einbremsen – klare Verhältnisse.
In der deutlich progressiv ausgelegten Servolenkung (eine Extradosis Lenkeinschlag beim Einparken) herrscht Ruhe. Keine Aufwipper, keine feuchten Hände selbst bei hohem Tempo.
Tempi über 200 km/h sind flux erreicht. Das Drehmoment schwappt schon gewaltig. Kraftaufbau ist eine einzige konstante Vorwärtsbewegung, fernab von Anfahrschwäche und Turboloch. Breitbeinig, kraftvoll, bullig. Wenn der fitte, 224 PS bei 3.800/min anstellende 3,0 Liter-V6-Diesel (nicht mit 3,5 Liter Hubraum wie das Typenschild suggeriert) keine Idealbesetzung ist, wer dann?
Die 7G-TRONIC: Souverän kanalisiert sie das früh abrufbare und dann sehr satte Drehmoment (540 Nm zwischen 1.600 und 2.400/min). Schaltvorgänge geschehen notorisch hintergründig, oder sind auf besonders kurvigen Passagen oder Bergstrecken selbstbestimmt handgemacht (per Wahlhebel oder auch fingerschnippend per Schaltwippe).
In Richtung 200 km/h wird der CDI vom Winde verweht: überraschend laut – häufig ein Nachteil aufrecht-kantiger Naturen. Wie der Verbrauch nahe der Höchstgeschwindigkeit (220 km/h).
Das Balkendiagramm der Verbrauchsanzeige pendelt nun bedrückend zwischen 15 und 20 Liter. Das tut jedoch nicht nur hier weh. Das Rezept: moderatere Gangart, dann enthält sich der Selbstzünder beim Nippen aus dem 66 Liter-Tank. Ein weiterer unfeiner Beigeschmack bleibt trotzdem: Das Aggregat erfüllt als einziger Motor der GLK-Baureihe nicht die EU 5-Norm.
Die Maße des auf dem T-Modell der C-Klasse aufbauenden GLK (4,528 x 1,840 x 1,689 m) führen im Innenraum zu Platzverhältnissen auf Mittelklasse-Niveau und zu einer geräumigen Innenbreite. Nur der Mittelplatz im Fond fällt schmal aus. Schalter und Hebel präsentieren sich im aufgeräumten Mercedes-Stil.
Die Instrumente, deren Ablesbarkeit nicht ganz überzeugt (Silber auf Schwarz), ähnelt (ergänzt um einige Details und mit fest stehendem statt versenkbarem Navibildschirm) dem der C-Klasse. Aufregend ist das nicht – das Emotionalste ist vielleicht der noppige Bezug ums Zündschloss, oberhalb des Handschuhfachs und auf der Fläche des Türgriff-Sitzverstellungs-Dreiecks. Aber was gibt es besseres als beinahe ungetrübte Funktionalität?
Der COMAND-Regler nimmt sich nicht so wichtig wie MMi oder iDrive. Er wirkt zwar relativ mickrig, aber als griffiger Dreh-Schiebe-Druck-Regler (zwei Tasten und ein Regler) lässt sich das Multimediasystem intuitiv bedienen – ohne das Hirn in Sackgassen zu schicken.
Das gilt genauso für die sechs Themen des Bordcomputers (Reise, Navi, Audio, Telefon, Service, Einstellungen) oder für den Tempomat (er regelt auch in 10 km/h-Schritten, die vorgewählte Geschwindigkeit ist jederzeit am Tachorund ablesbar).
Der moderne Gau an Ablenkung (Geländeeinstellungen, Kameras …) glänzt im Testwagen wohltuend durch Abwesenheit. Stattdessen setzt es einfach Überzeugendes: ein großes Fach unter dem Boden des Kofferraums samt hilfreicher Verzurrhaken und 12V-Steckdose (450 bis 1.550 l Volumen, 695 kg Zuladung, hoch öffnende Heckklappe), zwei Fächer unter den Vordersitzen, zum Hinterkopf hin neigbare Kopfstützen (bequem und sicherer), eine vorsorgliche, weil zweifach warnende Reserveanzeige (im Bordcomputerdisplay oder als oranges Symbol) und spürbare Qualität.
Vielleicht nicht der etwas grobe Plastikgrat an der Kante oberhalb des Klimaausströmers auf der Mittelkonsole, aber sonst auch im kleinsten Detail: Die sämige Motorik der Deckenhandgriffe, das samtige Inlay des Handschuhfachs, die handwerklich hochwertig aufgepolsterten und sehr bequemen Sitze … Nichts knistert, wenn der Sechszylinder mit 1.500/min satt und zufrieden und in aller Stille dahin säuselt.
Dass die Anschnallerkennung so hypersensibel reagiert, dass der Mantel auf der Rücksitzbank „sitzt“ (Warnsymbol im Tachodisplay), und dass hinten wegen der kleinen Heckscheibe nicht viel zu sehen ist, daran kann (oder muss) man sich gewöhnen.
Echter Offroader will der in Bremen auf die Welt kommende Schwabe nicht sein: ohne mechanische Sperren, ohne Untersetzungsgetriebe, bei mäßiger Verschränkung, milden Böschungswinkeln (23 Grad vorne, 25 hinten) und lediglich 20 cm Bodenfreiheit.
Der permanente Allradantrieb 4MATIC stammt, protegiert von längeren Federwegen, einer Geländeabstimmung von Motor- und ABS-Steuerung und einer Bergabfahrhilfe (4 – 18 km/h), von der C-Klasse. Die Kraftverteilung erfolgt, wenn Vierradantrieb nicht erforderlich ist, maximal zu 45 % auf die Vorder- oder zu 50 % auf die Hinterräder über eine Lamellenkupplung im Zentraldifferential.
Das heißt, nun begreift man, warum sich der große 6er BMW vor einem mit dem Heck windet – und der GLK bei Nässe eben nicht: 4×4-Traktion ist, wenn es überall zieht, aber nichts rutscht.
Über Extras kann man sich im GLK freuen oder ärgern – auch typisch Mercedes: Metalliclackierung für 881 €, Rückfahrkamera (464 €), Bi-Xenonscheinwerfer (1.458 €), Panoramaschiebedach (1.666 €), Lederausstattung (2.380 €) und COMAND-Navi für saftige 3.046 €.
Auf jeden Fall Serie die 7G-TRONIC, ein annährend kompletter Airbagsatz (ohne Sidebags im Fond, aber mit Kniebag auf der Fahrerseite), ESP, 17 Zoll-Räder, Zweizonen-Klima, Audio mit MP3-Funktion und der Geschwindigkeitsregler. Ebenso die anerzogenen Talente jenseits und diesseits befestigter Verkehrswege.
Die direkten Konkurrenten sind zahlreich (Audi Q5, BMW X3, Land Rover Freelander, Volvo XC 60, VW Tiguan), der genauso Premium-schielende BMW X3 sportlicher, aber auch weniger zuladefreundlich und unkomfortabler. Mit dem sich groß und großartig anfühlenden CDI rückt der GLK gefühlsmäßig in Richtung der größeren Brüder – gerade das überzeugt. (2009)
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