Autotest
Range Rover Td6 Test
Die Behauptung, der erste Range Rover von 1970 wäre mit dem aktuellen (von BMW entwickeltem und von Ford verkauftem Modell) auferstanden, ist zwar übertrieben, trifft aber trotzdem des Pudels Kern – erinnern die kantige Front, das Scheinwerferdesign und der Heckabschluss nicht an den Erstling?
Es hat sich aber etwas grundlegend gewandelt, wenn sich selbst Männer von 1,95 Meter Bauhöhe an der Flanke des Briten winzig fühlen und sich – ganz ungewohnt – an der Türoberkante fast den Kopf stoßen. Erstens die Höhe (1.820 bis 1.913 mm), zweitens die Breite (2.191 mm), drittens das Gewicht (2.435 – 2.570 kg).
Maßgeblich dafür verantwortlich, dass der 4,95 Meter lange Range trotzdem nicht unhandlich ist, ist die sehr geglückte Abstimmung der Servolenkung, die im Alltag gekonnt die Massigkeit und Überdimensionierung der Tatsachen kaschiert.
Übermotorisierung beziffert sich jedoch anders, als die Kombination von 177 PS Leistung mit 2,5 Tonnen Gewicht. Nichtsdestotrotz reibt sich der kräftige, drehmomentstarke (390 Nm bei 2.000/min) und elastische Dreiliter-Sechszylinder von BMW auch im Heavy Metal-Umfeld nicht auf.
Die Artikulation schwankt zwischen hintergründig dezent und selbstzünderisch präsent. Letzteres speziell wenn bei forcierter Gangart öfter als etwa in einem 330d oder 530d, in denen der gleiche Antrieb traditionell, wenn auch in vorangeschrittener Evolutionsstufe, Dienst tut, ans Drehzahllimit gegangen werden muss. Erstaunlich gewand meistert der Td6 – mit einem kräftigen Schluck Diesel aus dem 100 Liter-Tank (etwa 15 l/100 km) – die Höchstgeschwindigkeit (179 km/h), aber nicht die Abgasnorm (EU-3).
Erfahrbare Werte zwischen neun und zehn Litern (Testverbrauch: 12,1 l) sind aber ein Indiz für die exzellente Leistungs-Verbrauchsrelation des Dieselmotors. Die höhere Laufkultur und Drehfreude des leistungsstärkeren 4,4 Liter-V8 (286 PS) wird deshalb kaum vermisst – zu unökonomisch und unökologisch ist der Benziner dem Lebenssaft zugeneigt.
Zum Selbstzünder-Gemüt passt die unhektische Gangart sowieso am besten. Die Fünfgang-Automatik mit Steptronic-Funktion, die nur im Gebirge zum Handschalten animiert und nur selten die Fahrstufen etwas zu lange hält, waltet sanft im Hintergrund.
Und was die kommode Luftfederung an schlechtem Straßenbelag nicht zurückhält, verebbt fast gänzlich in den schweren Sitzfedern der bequemen Sessel. Ob vorne gesessen wird oder hinten spielt dabei keine Rolle.
Der großzügig dimensionierte Innenraum ist lichte, die große Windschutzscheibe lässt tief blicken, die flach angesetzten Seitenscheiben ebenso. Der über das Heckfenster oder die Heckklappe zugängliche Kofferraum protzt mit Volumenlitern, dickfloriger Bodenauskleidung und einer soliden Gepäckraumabdeckung.
Im Range Rover ist die Welt noch in Ordnung und der britische Automobilbau noch Herr über die Sinne. Das hübsche Multifunktionslenkrad zieht sich beim Einsteigen, um die Platzfindung zu erleichtern, etwas zurück.
Der Schlüssel findet sein Schloss nicht rechts oder links neben dem Volant, sondern auf der Mittelkonsole. Ganz altmodisch gibt es überall Ablagen. Etwa das geräumige zweivolumige Mittelfach zwischen den Vordersitzen oder die sehr groß dimensionierten Getränkeflaschenhalter.
Wohlbefinden definiert sich ganz besonders in dickem Oxford-Leder, in elegant platzierten Hölzern und in der durchweg geschmackvollen Kombination wertiger Materialien – Qualität bis in die letzte Ecke.
Ein Gefühl, als hätte man sich bemüht, überall das Beste zu geben, und nicht nur das zum Preis möglichst Beste. Dass dabei feines Leder und derbe Plastikfußmatten miteinander einhergehen, ist Prinzip: ein Jeep fürs Grobe, ein Auto fürs Feine. Nobel, trotzdem dezent. Offroad, trotzdem kommod.
Und dreierlei hat der Range Rover dem „best car of the world“ (Rolls-Royce), dessen Initialen er trägt und dessen aktuelle Variante ebenso im Süddeutschen entwickelt wurde (RR Phantom), voraus:
Den herrschaftlichen Überblick, die aristokratische Geländegängigkeit und das volksnahe Dieselaggregat – und damit ein größere Umweltverträglichkeit als einige der ehrbarsten Männer der Nation. (2003)
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