Autotest
Land Rover Defender TD4 Diesel Test: Pre SUV
Der Haltegriff, platziert wo in normalen PKW das Handschuhfach sitzt, spricht Bände: Der Land Rover Defender zelebriert seine robusten Anlagen heute so geländekompetent wie vor einem halben Jahrhundert – Test: Land Rover Defender TD4 110 SW (Station Wagon).
Geländekompetenz ist der Blick zurück – ein steiler Anstieg von oben betrachtet. An dem die SUVies und SAVies schon so richtig unbeholfen schaben oder sich tapsig im Erdreich eingraben. Den Gipfel markiert der „Pre-SUV“ gerade hier.
Mit einer Bodenfreiheit von 314 mm und enormen Winkeln von 49 und 36 Grad Böschungswinkel (vorne und hinten) und 150 Grad Rampenwinkel. Mit Allradantrieb samt Differentialsperre (in Fahrt aktivierbar) und Verteilergetriebe (einspeisbar bis 8 km/h).
Stoisch nimmt der „re-kolonialisierte“ Land Rover (neuer Besitzer ist Tata/Indien) selbst die gefühlten „Das-packen-wir-nie-Passagen“. Oder auch mal vier Tonnen an den Haken.
Raum erobern ist das eine, Platz haben das andere. Die Breite der vorderen und hinteren Türen fällt angesichts der Massigkeit (Länge: 4,64 m, Gewicht: 2.110 kg) eher schmächtig aus.
Die massiven Trittleisten an der Flanke würden zwar – gefühlt – auch einen Elephanten verkraften und die dicken Gummimatten wirken als höchst vertrauensbildende Maßnahme, aber dem Kupplungsfuß nützt das nichts: Zum Ausruhen abstellen, geht nicht, denn direkt neben dem Kupplungspedal beginnt auch schon die Tür.
Kartenfach: fehlt. Handschuhfach: fehlt. Dafür gibt es eine mit Gumminoppen rutschbefestigte Ablagefläche vor dem Beifahrer, die von der Lenksäule durchkreuzte kleine Ablage direkt vor dem Fahrerplatz und das sehr geräumige Mittelfach auf dem breiten Kardantunnel.
Das ist Luxus. Nicht, dass der Bauälteste aller Land Rover zuvor nur Stehplätze zu verteilen hatte, aber nun sitzt der DIN-Mann oder die DIN-Frau auf den eigenartig modernen Sportsitzschalen korrekt, und nicht mehr wie zuvor auf viel zu weichen und rutschigen Sitzen.
Das dazu gebotene erscheint fast als Revolution der Gemütlichkeit: Eine Sitzheizung gibt es nun, eine Klimaanlage, Fensterheber zumindest vorne (hinten: Kurbeln und Schiebefenster) und sogar ein mit vernehmlichem Klacken einrückendes und erstaunlich flott schaltbares Sechsgang-Schaltgetriebe, dessen Rückwärtsgang und erster Gang jedoch ziemlich eng beieinander liegen –erbleichende Hintendransteher an der Ampel beim Aufleuchten der Rückfahrleuchte inklusive.
Der nicht höhenverstellbare Fahrergurt rutscht großen Fahrern vom linken Schulterblatt – gar nicht gut. Die kurzen Sitzverstellwege falten ihn zu einer eigenartigen Sitzposition. Angeboten wird beim Händler auch eine Sitzschienenverlängerung.
Aber was bleibt dann im Fondbereich noch an Beinraum über? Gott sei Dank ist nicht jeder Mensch so groß wie dieser Tester (1,95 m), und so sitzt er gemeinhin tatsächlich viel besser als früher.
Das ist die Moderne, die von der Vergangenheit konsequent begleitet wird: Die Geräuschbedämpfung der Karosserie ist existent – mehr nicht. Radiohören geschieht wie damals im Käfer: dünne Musiksound, dicke Motorgeräusch. Der kurze Lichthebel echt schrullig. Das Zündschloss etwas für Linkshänder. Um an das Batteriefach oder den Radwechsel-Werkzeugsatz zu gelangen, muss vorerst der Fahrersitz ausgebaut werden.
Die ersten 800 km ist der robust klingende Turbodiesel (122 PS) wie anno dazumal mit maximal 80 km/h einzufahren. Das mit dem Abrollkomfort geht im Gegensatz zum knüppeligen (aber wendigeren) 90er (der „Kurze“) wegen des langen Radstands und den dicken, relativ wenig „mitsingenden“ M+S-Radialreifen (General Grabber TR 235/85 R16 C), bis auf manche Fugen-Trampelei, ganz gut. Das mit der Straße: naja.
„Schwammig“ trifft als Beschreibung der biblischen Straßeneigenschaften voll ins Schwarze. Die Gefühle eines Defender-Neulings auf einem engen Parkplatz lassen sich mit den großen Rädern, der mäßig präzisen Servolenkung und dem enormen Wendekreis von 12,8 m (noch steigerbar: 15,08 m im Landy 130) in etwa mit denen einer Fahrt im ungelenkten Schlitten direkt vor der Einfahrt in die Haarnadelkurve vergleichen.
Der Scheitelpunkt wird eher angepegelt als angepeilt. Der ungelenke Engländer braucht manchmal einen geschätzten halben bis ganzen Meter mehr als gedacht. Früh einlenken, lernt man hier also auf sehr natürliche Weise. Kurven wegen der enormen Schräglage nicht zu flott anzugehen ebenfalls.
Und mit dem riesig hohen Defender im Wind zu segeln, ist nur mit Rückenwind ein Vorteil. Kommt der Wind stark von vorne, merkt man´s sogleich am zurückfallenden Tempozeiger und später am Verbrauch (siehe unten).
Aufsteiger ist hier jeder. Mit 2,18 m Fahrzeughöhe ist der siebensitzige Defender 110 SW (nun sitzt man in dritter Reihe in Fahrtrichtung) annährend so hoch wie der Ur-Smart (2,50 m) lang. Beim Zu- und Ausstieg ist Langbeinigkeit somit ein Privileg, andere nehmen halt Anlauf.
Die enorme Sitzhöhe – Sie sehen die beträchtliche Haarlücke auf dem Oberkopf des Audi Q7-Fahrers ohne weiteres (Test Audi Q7)– steigert die Übersicht, um die es wegen der aufrechten und dünnen Dachsäulen, dem klippensteilen Karosserieende und einiger Quadratmeter Glas gar nicht so schlecht bestellt ist.
Keine Einparkhilfe assistiert zwar, aber die Servolenkung ist zumindest leichtgängig. Erklärtes Sperrgebiet ist häufig das Parkhaus: Mehr als zwei Meter Fahrzeughöhe sind oft nicht zugelassen. Das sollte man mit 2,18 m nicht nur wissen, sondern man muss es – sonst führt dies zu Parkschäden ganz neuer Dimension.
Der Defender ist sicht- und fühlbar die Summe seiner Einzelteile, Nieten, Bleche und Schrauben – echtes Handwerk. Weil der Defender so ein ehrlicher Kerl ist, verzeiht man ihm die knarzenden Türgelenke, den schwer erreich- und verstellbaren rechten Außenspiegel, den sich schüttelnden Innenspiegel, die vom Wind zum Schwingen angeregten, dann aber doch durch Stützgummis an der A-Säule fixierten Seitenfenster, die Turnübung am Handbremshebel oder auch mal ein Plastikteil in der Hand (hier: ein Teil vom siebten Sitz).
Hinten sind die Karosseriebewegungen noch eindringlicher spürbar. Der Ausblick zielt wegen der erhöhten Sitzposition und der tief bauenden Seitenscheiben eigenartig tief. Die Sitzposition erscheint im Lehnenteil dabei gesund aufrecht. Was von den Kopfstützen im Fall eines Heckcrashs sicherlich nicht zu behaupten ist: Sie bauen zu kurz.
Ganz hinten erschweren nach der rechts angeschlagenen Hecktür die bauartbedingt hohe Ladekante und die Klappsitze (unausgebaut) das Beladen der solide gummierten Ladefläche, auch wenn der ausklappbare Schritt den Zustieg für Mitfahrer sechs und sieben erleichtert.
Schnell sind die anderen, kräftig aber auch der Defender. Weniger die 122 PS bei 3.500 U/min als die satten 360 Newtonmeter schon bei 2.000 Umdrehungen.
Diese Gemütlichkeit mit urwüchsiger Kraft erinnert an einen der letzten Zeitgenossen, den Jeep Wrangler (Test Jeep Wrangler). Das bedeutet den Sieg der Langsamkeit und der Beharrlichkeit über den heutigen Tempowahn und macht gerade den Reiz des Ur-4×4: rau. bärbeißig, knochig und ungemein pur, trotz der paar Zugeständnisse an die Moderne.
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