Autotest
Ford Focus RS im Test: Das Brett, ein Brett
Was sagt der Autotester über den Ford Focus RS?
Die Zahl 2.000 und mein linkes Knie erinnern mich an den alten Focus RS mit dem wilden Fünfzylinderturbo unter der Haube.
Kaltstart – Der ist zum Frohlocken und Hosianna singen. Ein Geschmatze, ein Gegrunze, ein Lader pfeifen, wohl bekomm´s. Halb sechs Uhr morgens, wäre ich mein Nachbar, ich wäre mir jetzt nicht sympathisch.
Haben sie die Straße vor 30 Jahren das letzte Mal neu gemacht? Nein, fühlt sich nur so an. Der Komfort ist derber als im alten RS. Welcher „Komfort“? Das Fahrwerk fällt noch straffer aus. Die Stoßdämpfer lassen sich in zwei Stufen verstellen. Die Kraftübertragung auf alle vier Räder übernehmen Michelins Pilot6 Super Sport 235/35 R19. Die sind auf extrem tiefen 19-Zoll-Leichtmetallfelgen aufgezogen. Und so bangt man an jedem Bordstein um den schwarzen Lack der Felgen. An jedem, nicht nur an den hohen. Die Räder sind ziemlich groß. Das spürt man beim Wenden. Der Focus RS verfügt über einen Wendekreis wie ein Kleinlaster.
Brembo bremst, also bremst es super – Die Sportbremsanlage mit 350-Millimeter-Scheiben vorn ist sehr gut dosierbar und packt vehement zu. Hey, was für ein Sicherheitsanker. Auch das andere Handwerkszeug lässt einem in der Kurve das Sportlerherz aufgehen. Die Lenkung arbeitet direkt und zielgenau. Der RS liegt stoisch, voll auf Vorwärtsdrang gepolt. Die Gänge fliegen ruckzuck durch die sechs Schaltgassen. Auf öffentlicher Straße spart man sich besser die Modi Rennstrecke und Drift. Gefühlt sind das die Plomben-Löse-Modi. Komfort? Dämpfung? Alle Bodenwellen, besonders die kleinen fiesen, schlagen vehement ein.
Sport ist gesund – Schon im Sportmodus ist viel weniger Bewegung des Gaspedals notwendig, um den Turbo hinter der Sohle explodieren zu lassen. Turboloch, wo denn? Der 2,3-Liter-Turbo ist permanent – was für ein Unterschied zum Focus ST (Test Ford Focus ST) – gut drauf. Den Kreisel fahre ich sonst mit 80 km/h und bin dann in vielen Autos schon ziemlich am Limit. Der packt 92. Und ich denke, er hat noch Reserven.
Die Sportschalensitze stehen es – Straff im Rücken, nah an der Hüfte, so geht Seitenhalt. Der Belag sendet, die Recaros halten dagegen. Das unten abgeflachte Sportlenkrad liegt gut in den Handflächen. Einigermaßen praktisch ist der Focus RS obendrein. Fünf Türen, fünf Sitze, ausreichend Kofferraum (260 bis 1.045 Liter) und durchdacht auch im Detail. Im Rollofach zwischen den Vordersitzen ist der Becherhalter verschiebbar und die Breite des Fachs reicht auch für ein großes 5,5-Zoll-Smartphone. Die Navi-Bedienung dagegen verläuft, auch typisch Focus, etwas verquert. Intuitiv geht auf jeden Fall anders, auch wenn der Bildschirm ein gutes Bild und das auch im Navi-3D-Modus liefert.
Überholprestige – Das „RS“-Logo findet sich überall. Am Schalthebel, an den Felgen, am Schweller, am Dachspoiler und oberhalb des Kühlers. Damit auch jeder, der den RS im Rückspiegel erkennt, gewarnt ist. Der RS, der seine 1,6 Tonnen in 4,7 Sekunden auf Tempo 100 katapultiert, zieht vorbei. Bei 268 km/h säuft er wohl wie eine zwanzig Tiere große Kamelherde nach einer dreitägigen Sahara-Querung. Im Test nicht. Verbrauch: 10,1 Liter Super Plus. Sind das etwa die versprochenen 20 Prozent weniger als im alten RS? Sind es, denn mit dem Fünfzylinder war man alle 100 Kilometer 2,5 Liter mehr los.
Das Schönste ist – und genau das erinnert an den alten RS mit Fünfzylinder: Den richtigen Sound macht der aktuelle Focus RS auch schon um die 2.000 Touren, denn dann stehen 440 Newtonmeter an den Antriebsrädern an. Und das Knie? Bisher habe ich, ein Langbeiner, in jedem Focus mindestens einmal im Test mit dem linken Knie das Licht angemacht. Lehre der Geschicht: Ein Lichtschalter kann man höher einbauen, und das alte Hochgefühl aus dem RS stellt sich auch im neuen Focus RS ein.
Warum gerade den?
Der Ford Focus RS der letzten Generation war ein Kultauto. Der neue wird eines. Der Vierzylinder-Turbo beißt. Der RS verbeißt sich im Asphalt. Der Fahrspaß steigt für 40.700 Euro mit ein und der Fahrer mit leuchtenden Augen aus. Der Focus RS ist und bleibt ein Performer, zeigt dem alten das Heck. Auch ohne Fünfzylinder.
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