Autotest
Kia Picanto 1.1 Automatik Test: pikant?
Die Koreaner kommen? Drei Rezepte auf einem preissensiblen und verbrauchsorientierten Markt: kleines Auto, kleiner Motor, kleiner Preis – pikant mit Automatik? Der 3,50 Meter kurze Fünftürer Kia Picanto 1.1 Automatik im Test.
Früher war alles besser? Sitzheizung, Viergangautomatik und Klimaanlage? Gab es damals nicht in der Einstiegsklasse. Nicht im Käfer, nicht im R4 und schon gar nicht im 2 CV. SRS-Airbags? Scheibenwischer-Intervallschaltung? Elektrische Fensterheber sogar mit Automatik-Funktion am Fahrerplatz? Polster in den Türverkleidungen, wo sonst im Winter blankes Blech fror?
Der R4-Fahrer nickt einsichtig, der Mann mit der Ente ist überzeugt: Echt pikant ist die zweite Picanto-Generation (Design: Kang Lee) mit ihren großen Augen, Multifokus-Reflektoren und Trapezgrill zwar nur aus der Frontperspektive, trotzdem geht alles weitaus leichter und sicherer vonstatten.
Diese Überzeugung erfährt im flotten Fahrbetrieb keinen Dämpfer. Die Voraussetzungen, gut und zufrieden auf der Straße zu bleiben, sind nicht nur viel besser als damals, sondern von hoher Friedfertigkeit. Der Frontantriebler, der nur ob seiner geringen Masse etwas empfindlicher auf Aquaplaning reagiert, macht sogleich auf gut Freund mit dem Belag.
Dass er es vorsichtig straff angehen lässt, eher mal einen Schlag vom Belag nach oben austeilt, als sich zu weich in die Federn zu werfen, überrascht angenehm – weil diese Abstimmung der Straßenlage zugute kommt, noch ansprechenden Komfort zulässt und ein sicheres Gefühl hinterlässt.
So bedeutet die im Verhältnis zur Kürze (3,50 m) relativ ausgeprägte Höhe (1,48) nicht mehr wie damals bei der Mercedes A-Klasse, dass es im kritischen Moment auch hoch hergehen muss. Zudem stellt auch die leichtgängige Servolenkung (Serie im EX) einen nicht ganz direkten, aber angenehmen Kontakt zur Straße her – gut gelungen.
Lässt sich dies auch von einer Automatik, die einem Kleinwagen mit wenig Volumen und Puste auf den Backen die Gänge zuspielt, behaupten? Die Falten auf der Stirn glätten sich. Die vier Gänge werden still und relativ weich gewechselt.
In der Natur der Sache liegt es, dass es mit 1.086 Kubikzentimeter Hubraum und einem maximalen Drehmoment von 97 Nm bei 2.800/min schwerlich gelingen kann, die Fahrstufenwechsel wie bei einem großvolumigen V8 mit Automatik in lauter Kraft zu wattieren.
Auffällig: Im Overdrive klammert sich der Automat, der ganz modern die Parameter Beschleunigung, Motordrehzahl, Öltemperatur und Verzögerung überwacht und somit die Schaltpunkte permanent dem jeweiligen Fahrstil anpasst, harmonischer an den Kraftfluss, in Stellung Normal lässt er die Gänge geschwinder wieder los.
Die 1/3-Stellung des Gaspedals erweist sich somit als ideale Position. Hier arbeitet der 65 PS starke, vorne quer verbaute Reihen-Vierzylinder schön im Hintergrund. Selbst mit dem Schaltautomaten geht dem bekennenden Langhuber (67 mm Bohrung, 77 mm Hub) der 950 Kilo leichte Picanto lässig, laufruhig und relativ kultiviert von der Hand.
Was sich erst mit einem tief zielenden Tritt ins Gegenteil verkehrt, weil der den Vorderrädern zuarbeitende Zwölfventiler nun ziemlich angestrengt und vorlaut Drehdienst tut.
Also haust man mit dem, was da ist. Und dies ist angesichts des günstigen Grundpreises von 8.900 Euro schon recht viel. Mit den Platzverhältnissen vorne wie hinten lässt sich, solange man im Fond nicht die Mittelposition einnimmt, gut auskommen (Kopffreiheit vorne: 1.003, hinten: 996 mm, Beinfreiheit: 1.041 / 872 mm).
Die Bedienung ist selbsterklärend: wenige Schalter, wenig Ablenkung. Die rückseitig übersichtliche Karosserie mit der ovalen Heckscheibe, der genauso übersichtliche Wendekreis (9,95 m) und das Heer an Ablagen (zweistufiges Handschuhfach, Brillenfach oberhalb der Fahrertür, doppelter Becherhalter vorne und hinten und im EX eine Ablagebox unter dem Beifahrersitz) verweisen allesamt auf das bevorzugte Einsatzgebiet des Kia Picanto: den Alltag.
Die Verarbeitung des Koreaners und die Optik der Oberflächen von Armaturenbrett und Mittelkonsole wirken ansprechend. Die feine Haptik des Lederlenkrads, welches dem Berührer suggeriert, gleich zwei Automobilkasten übersprungen zu haben, überrascht.
Die farbenfrohen Vordersitze hätten allerdings nicht nur eine kraftvolle Sitzheizung verdient (im EX: 150 € Aufpreis), sondern auch höher ausfahrbare Kopfstützen und eine Sitzfläche, die nicht schon nach 12.000 Kilometer Laufleistung des Testwagens mit unschönen Falten gezeichnet ist.
Wenn bei dieser Fahrzeuglänge ansonsten alles beim Sitzen stimmt, lauert der Kompromiss am Fahrzeugende: 868 Liter können es bei Bepackung bis ans Dach sein, wenn die Fondsitzbank im Verhältnis 60:40 fällt.
Pur sind es auch ohne Ersatzrad (Continental Reparaturset: 200 km Reichweite mit 80 km/h) je nach Stellung der dreifach verstellbaren Rückbank nur 105 bis 127 Liter. Ein Volumen, welches das Heckabteil schon mit zwei Getränkekästen (dann muss erst die Heckablage – rasch – ausgeklinkt werden) zur Problemzone erklärt.
Die Automatik ist keine. Sie kappt zwar das Temperament (15,1 statt 13 s von 0 auf 100 km/h, 144 statt 154 km/h mit Fünfganggetriebe) und macht dem kleinen 1,1 Liter-Motor zudem kräftig Durst (Testmittel: 7,9 Liter Normal), aber sie passt zum völlig unkomplizierten Charakter des Picanto.
Der Aufpreis für die freie rechte Hand (1.050 €), im nicht immer StVO-konformen Alltag bald geschätzt wegen des besseren Handlings von Straßenkarten und Wurstbrötchen, geht in Ordnung.
Was folgendes Schlussurteil erlaubt: Der Kleine fährt sich schon recht erwachsen. Ein praktischer kurzer Fünftürer zum kleinen Preis und mit einem Automatikgetriebe, das den Spaß am Klein- und Günstigsein nicht verdirbt. Pikant? Schmackhaft. Darüber hinaus: Mit humanen Aufpreisen (Metallic-Lackierung 200 €) und mit Garantien, die einem selbst die ganz teuren der Automobilbranche nicht immer gewähren: 36 Monate Fahrzeuggarantie mit unbegrenzter Kilometerleistung – ein gutes Angebot.
Was sagt man dazu? Die Koreaner kommen? Bei 47 % Zulassungsplus von Kia im letzten Jahr die falsche Frage: Sie sind schon da. (2005)
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