Autotest

Lamborghini Gallardo Spider Fahrbericht: Vom Winde verweht

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Die Faust im Rücken, den Orkan im Haar. 520 PS, 4,3 s bis 100, Spitze 314 km/h – erster Test: Fahrbericht Lamborghini Gallardo Spyder.

Lamborghini Gallardo Spyder, Testbericht

Was die Gegenwart von der Vergangenheit unterscheidet, eröffnet ein wirklich unverklärter Blick zurück in die 70er: Als Problemzone eines italienischen Sportwagens galt nicht selten das ganze Automobil – und nicht nur ein kleiner Teil davon. Besitzer, die Worte wie Sitzposition, Ergonomie oder Qualitätseindruck in den Mund nahmen, hatten ganz offensichtlich genau darunter schon gelitten.

Ade Jalpa, ade Kyalami, ade Pantera, die Klischees laufen im Lamborghini Gallardo des Modelljahrs 2007 ins Leere: Sitzriese? Na und? Bedienschwächen und lausige Qualität, wo denn? Bestätigte Vorurteile, das lässt einen auch die marktfrische Offenvariante eindrucksvoll spüren, sind die Verbesserungen von morgen.

Kritik kommt an einem solchen Ort, wo man eigentlich sehnsüchtig zu gaffen oder selbstzufrieden zu frohlocken hat, nur von dem, der von Profession her dazu verdammt ist: Der Lichtschalter in der Mittelkonsole: kreativ versteckt.

Der Blinkerhebel links mit dem Knie aktivierbar: wegen zu niedriger Anbauhöhe oder langer Beine? Laub vor den Kühllufteinlässen des V10: Kühlhaushalt im grünen Bereich? Doch viel flotter als früher im Diablo gehen dieser Spezies Mensch – nenne man sie Nörgler oder Autotester – im Gallardo die kritischen Sätze aus.

Erstens, weil es viel weniger zu nörgeln gibt – auch dank Audi (wie Lamborghini Teil des VW-Konzerns). Zweitens, weil guten Dingen, wie einem im Notfall ausfahrenden Überrollschutz und einer auch bei geschlossenem Verdeck voll versenkbaren Heckscheibe, einfach Lob gebührt. Drittens, wegen dem, was nun kommt. Ein Schlüsseldreh (kein Startknopfdruck; der Schalter links neben dem Steuerrad aktiviert den Rückwärtsgang) und der V10 läuft rau an. Die Sitzposition passt, die feinen Ledernähte auf dem Armaturenbrett zeugen von sorgfältiger Handarbeit.

Das neue, an der Unterseite sportiv abgeflachte Ledervolant des 2007er Gallardo und die Schaltpaddel der elektronischen Sechsgangschaltung „e.gear“ (Aufpreis 8.000 €) komplettieren den italienischen Maßanzug – soviel zu Passungen und Haptik.

Lamborghini, Gallardo Spyder, Testfahrt

Verdeck auf. Ein Schalterdruck. 20 Sekunden. Die extrem flache Windschutzscheibe des 1,18 Meter flachen Spyder scheint nun noch flacher zu stehen. Wäre man als Sitzriese von 1,95 Meter nicht das geborene Opfer, der Wind würde es hier besser, sogar gut mit einem meinen. Wenn diese Diskussion tatsächlich wichtig wäre.

Ist sie aber nicht, weil vor allem der Ton – ungefiltert ohne Dach über dem Kopf –  auch hier die Musik macht: Im unteren bis mittleren Drehbereich grollt es noch tief und potent, dann schaltet der 90 Grad-V-Sauger, nachdem das By-Pass-System der zwei 5-in-1-Krümmer bei 4.000/min hörbar den Abgasgegendruck verringert hat, auf hell trompetende Aggressivität, bis er in Tunneln oder Unterführungen mit 8.000 Kurbelwellendrehungen akustische Infernoqualitäten entfesselt.

Ein fester Tritt mit Rechts. Der Po schnellt ins Sitzbett, die Arme klammern sich ans Steuer, der Untersatz stürmt brachial voran. Antrittsgewaltig und blitzartig, aber nicht giftig. Das unterscheidet den Gallardo wie der absichernde Allradantrieb, das ESP, die Beschleunigungshilfe „Trust-Mode“ und der respektable Restkomfort von den manchmal tückischen Mittelmotorsportwagen der Vergangenheit.

Die realisierbaren Kurventempi und die Fahrwerksreserven, ab 120 km/h verstärkt durch den Abtrieb schaffenden Heckspoiler, sind enorm. Mit der ausgeprägten Konsequenz von Beschleunigung (4,3 s bis 100 km/h) und Rasanz (314 geschlossen, 307 km/h offen) scheint das Überholpotential dem alltäglichen Verkehrsumfeld jederzeit weit entrückt.

Die Grenzen des Fahrwerks auszuloten, erfordert die Rennstrecke, die des Motors guten Restverstand. Die Gasannahme des 5,0 Liter-40Vs geschieht fast verzugsfrei. Derjenige, der den Schalter „Sport“ auf der Mittelkonsole aktiviert, welcher nicht allein die Gangwechsel beschleunigt (600 – 200 ms), sondern auch die ESP-Regelmomente reduziert, bekommt gegebenenfalls etwas mehr zu tun.

Wer mit voll aktiviertem ESP jedoch spürt, wie die intelligente Kraftverteilung (normal: 30/70) in sehr schnellen Kehren mit 100 Prozent Kraftfluss zur Vorderachse hin das Auto stabilisiert, ohne dass das ESP eingreifen muss, weiß auch in diesen überwachten aber regelfreien Momenten die hohen aktiven Sicherheitsreserven des Gallardo-Fahrwerks zu schätzen.

Lamborghini, Gallardo Spyder, Test

Und die Frage der Fragen in einem offenen Zweisitzer: Wie fährt er sich mit geöffnetem Dach? 300 km/h offen haben – den Fahrtwind im Gesicht, die Klangflut am Ohr und die dann äußerst sensible Tanknadel im Blick – durchaus etwas Surreales.

So aufwühlend an die Luft gesetzt worden zu sein, löste selten hochtrabendere Gefühle aus. Dass das attraktive Gallardo Coupé mit all seinen unbestreitbaren Qualitäten zum erfolgreichsten Lamborghini avancieren würde, seit man in Sant´Agata Bolognese Sportwagen baut, ahnte mancher kluge Mensch schon während der Präsentation im März 2003.

Dass diese Qualitäten im Fahrerlebnis hör- und spürbar  noch eine Steigerung erfahren können, dafür steht genauso zweifelsfrei der Gallardo Spyder Jahrgang 2007.

 

Weitere Informationen

https://www.lamborghini.com

 

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