Autotest
Kia Rio 1.1 CRDi Diesel im Test
9.990 Euro Basispreis – das ist eine Ansage. Für einen smarten Kompaktwagen mit 75 bis 109 PS. Fahrbericht: Kia Rio 1.1 CRDi.
Er ist wohl der erste Dreizylinder mit Lenkradheizung. Auch bei den Superlativen kleckert der neue Kia Rio nicht: 3,2 Liter nippelt er alle 100 km, rekordhafte 85 g CO2 emittiert er im gleichen Rhythmus, sieben Jahre Herstellergarantie sind auch hier inklusive und das zu einem bis zum 31. Dezember festgesetzten Preis von 10.000 Euro für den dreitürigen Rio 1.2 Attract.
Ziel ist es, mit dem neuen Rio nicht nur markanten „Inhalt“ für die „Marke zu kreieren“, so Kia Deutschland-Geschäftsführer Martin van Vugt, sondern auch: „Menschen auf die Shoppingliste zu bekommen, die wir sonst nicht bekommen hätten.“
Erste Motivation: Der Betrag der Shoppingliste würde sich beim Kauf eines VW Polo um 2.500 Euro erhöhen. Ein Opel-Händler fordert für den Corsa noch drei Fünfhunderterscheine extra und der Unterschied zum Fabia von Skoda beträgt immer noch runde 700 Euro. Frage ist, gerade im besonders preissensiblen B-Segment, was man dafür bekommt?
Viel Auto. 4.045 mm lang, 1.720 mm breit und mit 1.455 mm Höhe geduckter (möglich durch den tieferen Einbau der Fahrzeugsitze) im Vergleich zum Vorgänger.
Optisch demonstriert Kias neuer Kompakter mit dem Schwung um die Waben-Front, fixierendem LED-Tagfahrlicht und den messerklingenartig geschärften Sicken der Flanke mehr Charakter.
Als für Europa entwickelter Dreitürer, der erst Anfang 2012 nach Deutschland kommt, noch mehr als mit braven fünf Türen (+ 700 Euro). Die Dreiecksfenster rücken die Bordsteine rechts oder links etwas besser in den Blick.
Die Rückfahrkamera (für 990 Euro extra im Navi-Paket für die Topausstattung Spirit bestellbar) kann als Eingeständnis betrachtet werden, dass hinten herum wegen der breiten C-Säulen und der sehr schmalen Heckscheibe kaum etwas zu sehen ist – schön aussehen, schlecht heraussehen: heute leider Zeitgeist.
Der Kofferraum spendiert mehr Ladebreite als bisher und 288 bis 923 Liter Ladevolumen. Zwei seitliche kleine Fächer bieten abgesicherten Ablageplatz. Eins mit fester hoher Seitenwand (rechts), das andere mit einem Netz (links).
Eine ebene Ladefläche mit angenehm hoher Ladekante und die hoch ausklappende Heckklappe erleichtern das Beladen. Aus dem Herunterklappen der Rückbank (1/3-2/3-teilbar) ergibt sich allerdings keine völlig ebene Ladefläche, sondern eine leicht ansteigende – Note: befriedigend.
Wie auch das Platzangebot in zweiter Reihe: Fußraum ausreichend, größere Erwachsene auf Dachhimmelkontakt, Herausblick über schmale Seitenscheiben.
Im Innenraum hat der Zeitgeist es gut gemeint. Der neue Rio sticht nicht nur gegen den alten, sondern macht die graue Ich-befördere-Euch-nur-Tristesse früherer Kia-Modelle gut vergessen. Ins Auge springt die „Kassettenrekorder“-Leiste mit den fünf Klimastellern.
Dass deren Kunststoffqualität die Fingerkuppen weniger verzückt als das Auge, gebührt dem Preis – für 10.000 Euro ist halt nicht alles drin.
Reichlich Ablagen aber schon: eine breite vor dem Schalthebel (direkt davor: die Anschlussbuchsen für AUX-iPod-USB), andere für Trinkflaschen und Karten in der Tür, zwei Cupholder rechts von der Handbremse, ein Handschuhfach mit tiefer Lade und ein Mittelfach mit verschiebbarer Lehne, die schon sehr bald mit ihrer weichen Polsterung als Heimat für den rechten Ellbogen akzeptiert wird.
Von wegen Kleinwagenausstattung – mit statischem Kurvenlicht, Freisprecheinrichtung, einer Navi in 3D-Optik (überzeugender als 2D) und dem kühlbaren Handschuhfach holt der Kia ehemaliges Oberklassezubehör zum fairen Preis hinüber in die Einsteigerklasse.
Ganz neu sind auch der Geruchsneutralisator „Clean Air“ und das „Anti-Beschlagsystem“ der Klimaautomatik. Hier sondiert ein Sensor auf der Windschutzscheibe hinter dem Rückspiegel die Luftfeuchtigkeit.
ESP, sechs Airbags und der Fahrzeugstabilitätsassistent, der den Lenkwiderstand, wenn fahrdynamisch notwendig, entlastet oder versteift, sichern die Fahrt, die in den ordentlich Seitenhalt aufbietenden Vordersitzen (Bezug: Stoff, Teilleder oder Vollleder) je nach Motor mehr oder weniger überzeugt.
Die zwei Benziner erfordern, wenn es auf und ab oder kurviger zugeht, mehr Schaltarbeit als die zwei Diesel. Ganz konkret der stärkste Benziner, „Gamma 1.4“ (109 PS), dem es mit seinen nicht so anregenden 137 Nm kaum mal gelingt, den kleinen 1,1-Liter-Dreizylinder-Diesel auszustechen.
Mit 170 Nm bei 1.500 Umdrehungen ist der viel früher wach als der stärkste Rio mit Benzin im Tank, der erst bei 4.200 U/min zur Sache kommt. Der quirlige, flott hoch drehende Dreizylinder produziert aus 1.120 ccm Hubraum 75 PS.
Nach der ersten Testfahrt stellt sich mit ihm rasch die Frage: Warum 4, wenn auch 3 so gut gehen? Der 1.4 CRDi ist mit 90 PS noch etwas kräftiger (220 Nm bei 1.750 U/min), aber der pfiffige Dreizylinder hat akustisch und beim Hochdrehen mehr Charme.
Sechs Gänge, die oberen eher lang abgestimmt, gehen leicht von der Hand. Das Handling im nur 12 kg leichteren Rio ebenso: frisch, frech, unbeschwert zappt der Rio bei der ersten Ausfahrt durch die Landstraßenkurven. Die Servolenkung rotiert leichtgängig. Ein erster flüchtiger Ausflug auf Richtgeschwindigkeit 130 auf der Autobahn hinterlässt von der Straßenlage einen guten Eindruck.
Und die vollmundig angekündigten 85 g/km? Emittiert der Rio 1.1 CRDi nur in Verbindung mit dem in der Preisliste noch nicht gelisteten Eco-Paket (300 Euro Aufpreis).
Mit einer anderen Achsübersetzung, ohne Nebelscheinwerfer sowie ohne Klimaanlage und Radio ist damit in der Sparvariante nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich weniger Musik drin. Der von Kia erwartete Verkaufsanteil des Eco liegt daher voraussichtlich nur bei „drei bis vier Prozent“ vom Rio-Absatz, so Produktmanager Klaus Kühner.
Mit einer Leasingrate von 121 Euro spielt der neue Rio bei der Musik ganz vorne mit. Die 9.990 Euro-Preisoffensive relativiert sich bei genauerem hinsehen jedoch: Das Basismodell 1.2 Attract erhält man nur ohne Klimaanlage. Nicht einmal gegen Zuzahlung mit.
Wer klimatisiert fahren will, steigt also für mindestens 11.990 Euro, dass allerdings mit ordentlich Mehrausstattung (AC inklusive), im Rio „Edition 7“ ein. Geschicktes Marketing, aber auch ein gescheiter neuer Kompaktwagen. Seine Lenkradheizung heizt sich übrigens im noch kompletter ausgestatteten Rio Spirit (ab 14.490 Euro) auf bis zu 38 Grad auf.
Da wird manchem Smart-Shopper nicht nur warm ums Herz, sondern auch der Konkurrenz: 5.000 Rio möchte Kia noch in diesem Jahr in Deutschland absetzen, 15.000 im Jahr 2012 – Polo, zieh Dich warm an.
Weitere Informationen
Sie müssen eingeloggt sein, um einen Kommentar abzugeben Login