Autotest
Mazda MX-5 1.9 im Test (146 PS)
Er war die Bugwelle des Cabrio-Booms, er machte die Leute wieder heiß auf den Sonnenbrand, er brannte sich in die wohlige Erinnerung einer ganzen Generation – der Mazda MX-5 1.9 (146 PS) im Test.
Kann ruhig, kann sportlich, kann Alltag – 15 Jahre oder 700.000 Produktionseinheiten danach hat sich kaum etwas geändert. Der erste MX-5 von 1989 war everybodys darling im Stile des Lotus Elan (1962-1973). Der noch harmonischer gezeichnete aktuelle Mazda „Roadster“ (wie er in Japan heißt) verzichtet auf die so charakteristischen Schlafaugen. Die folgende Generation MX (Concept Car Ibuki: Tokyo Motor Show Herbst 2003, Premiere voraussichtlich Herbst 2005) wird wieder so ein Auto, was alle wollen, keiner braucht, aber doch alle gerne fahren möchten. Adrenalin für den Hausgebrauch, ein Handling wie eine Ladung Koffein, eine scharfe Schaltung, eine gesunde Qualität, eine Linie konserviert für die Ewigkeit …
Lange Schnauze, kurze Fahrgastzelle, attraktives Heck. Aus Lust am unkomplizierten offen fahren, aus Lust am direkten Handling, aus Lust am Schalten: Der legendäre kurze „Knüppel“ liegt auch mit dem Sechsgang-Getriebe darunter prächtig in der Hand und in den Schaltgassen. Der Wendekreis ist ein erfrischender Shortcut (9,7 Meter – Fiat Barchetta, MG TF: 10,5 Meter, Toyota MR2: 10,4 Meter). Die Lenkung selbst ist nicht sehr leichtgängig, aber ansprechend direkt (2 3/4 Drehungen von Anschlag zu Anschlag). Die Früchte der Trennung von Lenk- und Antriebsachse kommen auch hier voll und reif auf den Teller: Der Vorderwagen giert geradezu nach den Kurven. Der überdurchschnittlichen Einlenkfreude steht die Kurvendynamik in nichts nach.
Den heckgetriebenen Zweisitzer zu Heckschwenks zu manipulieren, erfordert auch ohne ESP im normalen Verkehr reichlich Engagement und etwas Übermut. Deutliche Lastwechsel, etwa durch plötzliche Bremsmanöver oder Gaswegnahme in der Kurve, quittiert der gelassene Japaner, indem er die Nase etwas vernehmlicher in Richtung Kurven-Innenrand streckt.
Das lammfromm austarierte Fahrwerk des knapp vier Meter langen und 1,23 hohen MX-5 kennzeichnet den Belag präzise, ohne auf Komfort zu verzichten – eine gute Mixtur, um an der Straße Spaß zu haben, ohne vom Belag verprügelt zu werden.
Im Mazda MX-5 fügen sich alle Aktivposten – Lenkung, Schaltung, Bremse, Fahrwerk – harmonisch in eins. Der Motor ist ein recht leistungsbereiter Mitstreiter. 1,9 Liter Hubraum, vier Zylinder, 146 PS. Seine Kolbenstatik ist fast ausgewogen (Bohrung 83,0, Hub 85,0 mm).
Nach doppelter Multiplikation macht das 1.840 Kubikzentimeter Hubraum. Erst ab 4.000 Umdrehungen meldet sich der unauffällige und sympathisch ausgeglichene Vierzylinder etwas markanter zu Wort.
Für große Euphorie – hierfür würde sich der in Japan im Roadster installierte 200 PS-Turbomotor anbieten – reicht das nicht, für die Freude am Fahren ohne ein Dach über dem Kopf allemal. Bei offener Kapuze verliert der Gasfuß so oder so ganz natürlich an Nachdruck.
Geschwind sinkt der Stoffdeckel (zwei Spannhebel) auch mal während des Stopps vor der Ampel. Mit dem Herablassen der Seitenfenster oder mit dem kleinen Windschott zwischen den attraktiven Überrollbügeln wird die Frisur mal ansehnlich gepflegt, mal bizarr entstellend gefönt – je nach Gasfuß und Haartyp.
Geschlossen ist seitlich hinten, wie in der zweisitzigen Klasse mit hohem Stoffanteil an der Flanke üblich, nicht viel zu sehen, aber selbst bei 180 km/h auch nicht viel Windzug zu hören – eine akustisch unerwartet moderate Veranstaltung.
Wenige sachte Verwindungen, die im reifen Alter des MX-5 schon mal vorkommen, und markante Innenraumgeräusche bei sehr üblem Belag wollen den erfahr-, ertast- und erlebbaren Qualitätseindruck kaum schmälern – als Heroe der Pannenstatistik (ADAC) ist der Mazda über solche seltenen Zaungäste erhaben.
Beim Shopping kommt ihm diese Erhabenheit mit nur 144 Liter Kofferraumvolumen jedoch gründlich und flott abhanden. Getränkekästen spüren es wie Waldi vor der Metzgerei: Wir müssen draußen bleiben. Ein Großeinkauf hat schlicht Gaupotential. Also alles auf den Beifahrersitz – solange auf das Notrad nicht verzichtet wird.
Mehr als der Kofferraum taugen die guten Seitenhalt bietenden, auch auf langer Reise bequem bewohnbaren Sitze (festes Kopfteil).
Das Leid groß gewachsener Menschen ist in dieser Klasse fast Allgemeingut: Das Dach liegt nahe, die Sitzhöhenverstellung fehlt, die Lenkradverstellung (dienlich, um mit dem Unterleib das Volant gerade noch so zu umschiffen) ist nicht vorhanden.
Mit dem Türzuzieher tun sich langbeinige Fahrer schwer: Da er von der Tür weit in den Innenraum hinein ragt, ist es möglich, sich das Knie zwischen ihm und dem Volant zu quetschen – schmerzhaft.
Zu verschmerzen ist allerdings, dass die Außentemperaturanzeige fehlt, dass das Verdeck nur unter einer Persenning verschwindet und dass das fünfte Rad im Wagen nur ein Notrad ist.
Die MX-5-Bedienung ist, was heute nicht mehr selbstverständlich ist, selbsterklärend. Wenige und gescheit verteilte Knöpfe und Schalter sorgen zudem für mehr Bedienkomfort und höhere Bediensicherheit. Nur der Versteller für den Außenspiegel – einmal gesucht, dann immer wieder gefunden – sitzt rechts hinter dem Lenkrad an ungewöhnlicher, aber nicht unpraktikabler Position.
Es darf auch etwas abgelegt werden, denn das Handschuhfach ist relativ erwachsen, und weitere abschließbare Fächer gesellen sich hinzu. Dass eine beheizbare Heckscheibe aus Glas zu den sehr angenehmen Dingen in einem Cabrio-Winter gehört, konnte man damals beim kehrtwendigen Blindflug im MG B oder Eistauchen im Triumph nur erahnen.
Dass solche anachronistischen Unzulänglichkeiten nicht unabdingbar zu einem zweisitzigen Cabriolet gehören, hat uns der MX-5 gelehrt: Weil an seinem Purismus keiner mehr zu leiden hat. Weil er alltagstauglich ist, ohne wirklich alltäglich zu sein. Weil er offen fährt, ohne sich entscheidend zu entblößen. Vielleicht liegt seine Kunst auch in dieser ungewöhnlich erfolgreichen Innovation des Beibehaltens. (2004)
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