Autotest
Mazda RX-8 mit Wankel: Test
Das Klischee: japanischer Ideenklau. Die Realität: ein Sportwagen, vier Sitze, vier Türen – und kein europäischer Hersteller hat Vergleichbares im Programm. Der Wankelgetriebene Mazda RX-8 im Test.
„Schätzchen, nimm mal den Bierkasten auf den Schoß“ – kein wirklich guter Einstand, um Frau oder Freundin von den Vorzügen sportlicher Fortbewegung zu überzeugen. Woran es fehlt, ist zu offensichtlich: an Platz für dies und das, an Sitzplätzen und Kofferraum – aus und vorbei der Sportwagentraum: Das Auge isst mit, aber der Verstand verdaut. Vor allem Raum heiligt im Alltag immer noch die Mittel.
Mittel, die beim Mazda RX-8 konsequent angewendet wurden: Der Zugang zu den hinteren Sitzen über die gegenläufig öffnenden hinteren Türen ist eng, aber kein wirklicher Stolperstein. Der zweite Türensatz lässt sich nicht ohne zuvoriges Aufschwenken der Fahrer- oder Beifahrertür öffnen – optimaler Kinderschutz. Die tief liegenden Einzelsportsitze im Fond schmecken, einen nicht zu hohen Köperbau vorausgesetzt, auch mal Erwachsenen.
Die Reise zu zweit darf dank ausreichend Kofferraumvolumen (290 l) auch etwas länger ausfallen – zu große Illusionen darüber, wie weit man mit einer flachen, kompakten und eher eng taillierten Sportlimousine kommen kann, sollte man sich jedoch nicht machen. Aber der RX-8 ist durchaus einer, der auch im Alltag der Bierkästen und Kinderwagen besteht.
Der Nase obliegt nach dem weit nach unten zielenden Einstieg der erste Eindruck, denn das schöne Leder schmeichelt ihr ähnlich wie dem Blick die stilsichere Klavierlackoptik, die schönen Drehregler und die Sportsitze. Sehr bequem und kurvenfest sind die Sitzgelegenheiten obendrein, wobei die besonders geglückte Unterstützung im Schulterbereich gesondert Lob verdient.
Die Ablagen gibt es hinzu: Raffinierte wie das sich unter einem Schiebedeckel öffnende Mittelfach, praktische wie das Brillenfach im Dachhimmel oder wohltätige wie die gleichberechtigt im Bug- und Heckbereich verteilten Getränkehalter.
Der große Digitaltacho macht mit ständigen Zahlenwechseln Hektik, wo Zeiger Ruhe verbreiten würden – das ist modern. Der hübsche Instrumentendreiklang mit großem Drehzahlmesser (rote Zeiger und weiße Ziffern auf schwarzem Grund) erinnert an Boxster und Carrera – mit dem entscheidenden Unterschied perfekter Ablesbarkeit.
Was sich auch zum oben aus dem Armaturenbrett klappenden Monitor des Navigationssystems anmerken lässt, der dem aktuellen Sonnenstand mit auf Knopfdruck verstellbarem Bildschirmwinkel trotzt.
Ebenso trotzig, aber mit netter Stimme versucht die Orientierungsbegabte Frauenstimme, den Fahrer selbst bei fast rechtwinklig einknickenden Verkehrswegen mit einem „bitte leicht links“ oder „bitte leicht rechts abbiegen“ zu mehr Lenkeinschlag zu motivieren.
„Den richtigen Dreh raus haben“ hat im RX-8 auch einen anders gearteten Sinn. Die Daten lassen erahnen welchen: 231 PS Motorleistung, 1308 cm3 Hubraum, 176,6 PS/l Literleistung. Heißt schlicht: Drehen bringt Segen.
Da der Wankel ob seiner Stille und Vibrationsfreiheit, aber akut überdrehgefährdet ist, spendierten ihm Mazdas Ingenieure einen sonoren Auslass – streng nach dem Prinzip des Motorradantriebs: „Loud pipes saves lifes“. Mal turbinenhaft, mal heulend hohl, mal stechend scharf singt der so abstimmte Doppelauspuff sein ungewohnt tönendes Lied.
In den unteren Drehzahlregionen fährt sich der RX-8 so unspektakulär wie ein Mazda 6, erlaubt sich manchmal sogar ein Teillastruckeln. Ab 5.000/min beißt er zu. Oberhalb von 9.000/min würde er posaunend in sein Verderben rennen – würden nicht die Elektronik und ein Piepston Einhalt gebieten. Zum weiteren Schutz des Herzens wurde in der Peripherie vorgesorgt.
Ein duales Schmiersystem (Motorölpumpe und Motoröldosierpumpe) übernimmt die Ölversorgung des Kreiskolbenmotors, der prinzipbedingt mehr Schmier-, aber auch mehr Treibstoff benötigt (Testverbrauch: 12,4 Liter). Eine Ölstandanzeige ergänzt, ersetzt den tief im Motorraum versteckten Messstab aber nicht.
Zum schneidenden Klang fügt sich das messerscharfe Handling. Die sinnvolle Trennung von Lenkachse und Antriebsachse offenbart sich am Volant. Der Richtungsgeber waltet vertrauensvoll direkt, gepaart mit angenehm unverweichlichtem Lenkwiderstand.
Die Bremsanlage vermittelt mit ihrem festen Druckpunkt, in Dosierung und Wirkung das schöne Gefühl, in einem waschechten Sportwagen zu sitzen. Der Schaltknauf ist noch kürzer als die Schaltwege.
Man erspürt die Zahnräder der Sechsgang-Schaltzentrale im belederten Schaltknauf förmlich. Vieles andere allerdings auch: Wenn der RX-8 wie ein Brett liegt, dann wie Mahagoni: hart, verbindlich, fast gänzlich ohne Seiteneigung. Fahrwerkskomfort? Mehr Fahrwerk als Komfort. Ein Sportfahrwerk eben. Die Vorderachse trommelt auf schlechtem Belag den Takt, die Antriebsachse folgt auf den Sprung mit der Kopie.
In seiner Charakteristik erinnert der Mazda RX-8 an den S2000 von Honda: wegen der sportiven Härte, den feierbaren Drehzahlorgien und einer gewissen Kompromisslosigkeit im Auftritt – der sich im Gegensatz zum S2000 aber auch mit Vernunft begründen lässt: Zwei Sitze und zwei Türen in der Optik. Real zweimal Vier samt Gepäckraum. Dort findet sich auch eine Mulde für gleich zwei Getränkekästen. So bleibt dem Pilot die Schmach seiner Leidenschaft im Mazda erspart. Der Getränkekasten auf dem Schoß der Liebsten.
Drehen bringt Segen
Der Wankelmotor des Mazda RX-8
Wenn im Motorraum die Kolben kreisen, kann es eigentlich nur ein Mazda sein. NSU, der Wankelspider und der RO80 sind Historie. Ob ruhmreiche oder tragische, darüber möge jeder selbst urteilen: Der Kreiskolbenmotor arbeitete im NSU RO80 zwar tadelsfrei, die Frage war nur für wie lange? Die Mazda-Techniker verstanden ihr Geschäft offensichtlich besser als die Kollegen von NSU. Seit über 40 Jahren nun schon baut man als einziger japanischer Automobilbauer Kreiskolbenmotoren. Bis zum heutigen Tag an die zwei Millionen Aggregate.
Die Besonderheit des Antriebs: Da im Kreiskolbenmotor (nach seinem Erfinder auch Wankelmotor genannt) keine gegenläufigen Bewegungen wie beim ordinären Hubkolbentriebwerk, sondern nur Kreisbewegungen ausgeführt werden, sind bei äußerster Laufruhe sehr hohe Drehzahlen möglich.
Der Motor hat keine Zylinder. Stattdessen dreht sich ein exzentrisch kreisender Läufer-Kolben in einem ovalen, fast nierenförmigen Gehäuse. Durch dessen Rotationen entstehen zwischen Läufer und Gehäusewand Kammern von wechselnder Größe. In diesen Kammern vollziehen sich dann die vier Arbeitstakte: Ansaugen, Verdichten, Verbrennen, Ausstoßen.
Der so angeregte Läufer versetzt über eine Exzenterscheibe die Exzenterwelle (die Kurbelwelle des Wankelmotors) in Drehung. Die erfüllt ihre mechanische Pflicht, indem sie Drehzahl und Drehmoment an das Differential weiterleitet.
Der ohne Laderunterstützung arbeitende Renesis-Motor des Mazda RX-8 ist 30 Prozent leichter und kompakter als der alte 13B-REW aus dem RX-7. Einlass- und Auslasskanäle liegen seitlich am Gehäuse.
Bei dieser Positionierung wird eine Überschneidung beim Öffnen der Ansaug- und Auslassschlitze vermieden, was einer wirksameren Verbrennung zugute kommt. Mazda verspricht sich davon einen geringeren Kraftstoffverbrauch.
Im Vergleich zu einem etwa gleichstarken Hubkolbenmotor genehmigt sich der Wankelmotor jedoch in der Praxis einen kräftigen Schluck (Testverbrauch: 12,4 l/100 km) mehr – besonders dann wenn er das tut, was er besonders gut kann: drehen. (2005)
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